Anjas Federflug der Gedanken - Ihre Perspektive auf Themen des Lebens
"An Karneval maskiert man sich, damit man die Maske fallen lassen kann". Ein Zitat von Gerhard Uhlenbruck geboren im Juni 1929. Ich gebe zu, ich bin kein begeisterter Fasnächtler. Einzig den Kindern zuliebe passe ich mich an und verkleide mich, damit ich möglichst nicht aus der Menge hervorsteche. Wenn wir dann hinter der Absperrung beim Umzug stehen, muss ich gestehen, dass mich die lauten Trompeten und herzhaften Paukenschläge doch ein wenig in den Bann ziehen. Für meine zwei Kinder ist Konfetti werfen, Süssigkeiten sammeln und die verschiedenen Kostüme zu bestaunen eine Riesenfreude.
Kurzer Rückblick zur Entstehung der Fasnacht
Die derzeit älteste bekannte literarische Erwähnung der Fasnacht wurde bereits auf das Jahr 1206 datiert. Abgeleitet wird die Fasnacht vom Spätmittelalter, da die Tage kurz vor der Fastenzeit reichlich gefeiert wurden und alle Lebensmittel vorher verzehrt werden mussten. Insbesondere im ausgehenden 14. und 15. Jahrhundert wurde im deutschen Raum Fastnacht gefeiert. Das Wort Fasnacht stammt von dem mittelhochdeutschen Wort «vastnaht» ab, was in der Bedeutung so viel wie «Vorabend vor der Fastenzeit» bedeutet. Somit ist die ursprüngliche Bezeichnung nur der Tag vor Beginn der Fastenzeit. Mittlerweile werden viele unterschiedliche Synonyme für diese närrische Zeit benutzt. Am 11.11 um 11:11 Uhr wird mancherorts jedes Jahr offiziell die Fasnacht eingeläutet – dies gilt vor allem für katholische Orte oder reformierte Orte mit jüngerer Fasnachtstradition. Dieses spezielle Datum wurde ausgewählt, weil dann der sogenannte Martinstag ist und eine weitere Fastenzeit früher vor Weihnachten eingehalten werden musste. Die Zahl 11 wird auf die 10 Gebote der Bibel zurückgeführt – als Zahl der Grenzüberschreitung und Narretei. Wichtig zu wissen ist, dass die eigentlichen Fasnachtsumzüge überall erst im Februar oder März stattfinden.
Fasnachtsbräuche
Ich kenne vor allem die "Winti-Fasnacht", welche sich über mehrere Tage erstreckt und klassisch mit Guggenumzug, Kostümen und Festwagen vollzogen wird. In den kleineren "Käfflis" gibt es einen überschaubaren, eintägigen Umzug. Doch wie ist es mit anderen Orten in der Schweiz? Feiert man Fasnacht auch mit einem Umzug und lauter Guggenmusik? In Luzern startet die Fasnachtszeit traditionell mit einem Urknall, bei der Basler Fasnacht mit einem Morgenstraich und in Solothurn verwandelt sich die gesamte Stadt in Honolulu. Am Seeufer von Ascona wird den Fasnächtlern ein Mittagessen mit Risotto und der Grillwurst Luganighe offeriert. In Bern wird der Bär befreit und aus dem Winterschlaf geweckt, während in Bellinzona mit riesengrossem Lärm auf der Strasse und in Festzelten gefeiert wird. Die Liste ist nicht vollständig und ich bin selbst erstaunt, wie viele unterschiedliche Bräuche es in der ganzen Schweiz an Fasnacht gibt. Doch warum verkleidet man sich eigentlich an Fasnacht? Traditionellerweise wollte man damit den Winter vertreiben und den Frühling erwecken. Natürlich verkleidet man sich auch, um in eine andere Rolle zu schlüpfen und die sogenannte Narrenfreiheit zu geniessen.
Spezielle Fasnachts-Begriffe
Es gibt unzählige Wörter, welche nur mit der Fasnachtszeit in Verbindung gebracht werden. Das zeigt mir wieder einmal mehr, dass an der Fasnacht einfach alles anders ist. Wenn jemand in Luzern mit "Huerenaff" angesprochen wird, sollte dies in der Fasnachtszeit keinesfalls als Beleidigung aufgenommen werden. Eine "Larve" ist in Basel nicht mit einem Lebewesen zu verwechseln, sondern ist die Bezeichnung für eine Maske. Ebenso bezeichnet man in Basel Konfetti als "Räppli" und im St. Galler Rheintal als "Punscherli". "Schyssdräggziigli" bezeichnet eine Gruppe Leute, welche zwar laut trommelt und pfeift, jedoch nicht am Umzug mitmacht. Mein persönlicher Lieblings-Ausdruck ist "Chneublätz", die Bezeichnung für ein Luzerner Fasnachtschüächli. Wörter, die man direkt mit der Fasnachtszeit verbindet, sind sicher der Aschermittwoch, dann ist die Fasnachtszeit offiziell beendet und es beginnt die Fastenzeit. Am Schmutzigen Donnerstag ist der Höhepunkt der Fasnacht und war früher, bevor die Fastenzeit anfing, als Fettdonnerstag bekannt. Denn dann wurde so viel Fett wie möglich gegessen, damit man die Fastenzeit übersteht.
Narrenfreiheit während der Fasnachtszeit
Es gibt viele Vorurteile über die Menschen, welche die Fasnachtszeit völlig ausgelassen geniessen und sich ganz der Narrenfreiheit hingeben. Ganz nach dem Motto «in der Fasnachtszeit wird alles gemacht, was während der Fastenzeit verboten ist». Anscheinend kommt dies wieder aus dem Mittelalter, da die Fastenzeit dort viel strenger eingehalten wurde als heute. Für mich sind die Begriffe Saufen, exzessives Feiern, Hemmungslosigkeit und Eskalation typische Synonyme für die Hardcore-Fasnächtler. Natürlich will ich nicht alle in einen Topf werfen, jedoch musste ich früher selbst schon die Erfahrung machen, dass man ohne Vorwarnung angegraben und angetatscht wird. Gibt es an Fasnacht plötzlich keine Regeln und Grenzen mehr? Ich habe das Gefühl, dass es in der Gesellschaft um diese Zeit teilweise völlig in Ordnung ist, Tabus zu brechen. Rassismus, Politik und Homophobie werden überspitzt gesagt regelrecht gefeiert. Dieser bittere Beigeschmack, schmeckt mir persönlich überhaupt nicht. Zum Glück ist dies am Tag meistens nicht der Fall und eher auf die abendlichen «Kneipentouren» zurückzuführen. Die Fasnachtszeit hat für viele Menschen auch etwas Ungezwungenes. Einfach mal vom normalen, stressigen Alltag abschalten und die bunten Umzüge geniessen. Diesen Teil finde ich persönlich das Beste daran.
Fazit
Trotz dem genannten negativen Beigeschmack finde ich es bewundernswert, dass es so viele Menschen gibt, die diesen unglaublichen Aufwand betreiben, um die Fasnacht bunt und laut zu gestalten. Die ganze Organisation jedes Jahr hinter einer so grossen Veranstaltung zu managen, stelle ich mir sehr anstrengend vor. Mein persönliches Highlight an jeder Fasnacht sind die tollen, farbigen und absolut kreativen Kostüme. Ich staune immer wieder über den grenzenlosen Einfallsreichtum. Auch die unterschiedlich geschminkten Gesichter, bei denen man gleich sieht, wieviel Mühe dahintersteckt, gefallen mir sehr. Ich wünsche mir, dass die Tradition Fasnacht niemals verschwindet, aber der Respekt immer an erster Stelle steht. Die dunkle, lange Winterzeit ist für viele genug schwer, daher ist ein Mix aus "bunt und laut" doch genau das richtige und bringt einem vom manchmal etwas eintönigen Alltag weg.
Wie Johann Wolfgang von Goethe einst sagte: "Ohne Fastnachtstanz und Mummenspiel ist im Februar auch nicht viel."
Text: Anja Macello
Fotos: Pixabay
Alle Infos zur Winterthurer Fasnacht: www.fakowi.ch